Diplomarbeit | Von HTL-Absolventen entwickelte Messvorrichtung erfasst Kräfte, die bei Überholvorgang auf Radfahrer einwirken.

Radfahren wird immer beliebter, es ist umweltfreundlich und kleine Ernährungssünden werden leicht ausgeglichen. Nicht nur im Alltag, auch im Urlaub liegt Radfahren im Trend. Entsprechend steigt auch die Anzahl der Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt sind.

Florian Funke, Marco Hofmann und Simon Rottenschlager, drei HTL-Absolventen und selbst Rennradfahrer, sind sich der Problematik bewusst. Als ihr Betreuer, Abteilungsvorstand Gerhard Pölzgutter, seinen Beinahe-Radunfall aufgrund eines zu geringen Sicherheitsabstandes durch ein überholendes Fahrzeug erzählte, war für die drei WINGS-Techniker das Thema ihrer Diplomarbeit klar. Nach monatelangem Vorarbeiten war eine zweckmäßige, starre und leicht zu transportierende Messstation fertig. Weiters wurden Dehn-Mess-Sensoren eingebaut und ein „Dummy“ gefertigt.

Als Versuchsstandort wurde eine übersichtliche Landstraße gewählt, um zu sehen, welche Sicherheitsabstände in der Praxis eingehalten werden. Die Messstation wurde an einer Stelle aufgebaut, wo sie den Straßenverkehr nicht behinderte.

Als nächsten Schritt wurden die seitlichen Windkräfte, die bei Überholvorgängen auftreten, gemessen und veranschaulicht. Die Versuche zeigten, wie groß die Belastung mit wechselnden Geschwindigkeiten, Abständen und Fahrzeugtypen auf den „Dummy“ ist.

Sogkräfte wesentlich größer als Druckkräfte

„Wir haben die Versuche mit PKW sowie mit Lastwägen mit und ohne Anhänger gemacht“, erklärte Florian Funke über die Versuchsanordnung. Bei der Auswertung aller Versuche war sehr gut zu erkennen, dass der Fahrradfahrer zuerst weggedrückt wurde und erst danach durch den Sog sehr stark zur Fahrbahnmitte gezogen wurde. „Schaut man sich die Überholvorgänge an, ist eindeutig zu erkennen, dass die Sogkräfte wesentlich größer sind als die Druckkräfte“, war Florian Funke über die Ergebnisse überrascht.

„Vor allem ein Anhänger eines LKW entwickelt eine Zugkraft, die den Radfahrer Richtung Straßenmitte zieht und sehr gefährlich werden kann. Der Radfahrer kann seine Spur nur durch Auslenken halten. Kommt jetzt noch ein zu kleiner Sicherheitsabstand dazu, bleibt dem Fahrer nur mehr die Möglichkeit, geradeaus zu lenken. Dies führt aber in den meisten Fällen durch die Instabilität zum Sturz. Ist das Fahrzeug vorbeigefahren, dann herrschen danach auch noch sehr große Kräfte, welche durch die Luftverwirbelungen entstehen. Diese Kräfte können bei Unachtsamkeit sehr gefährlich werden“, spricht auch Simon Rottenschlager über die Kräfte, die auf einen Radfahrer einwirken.

„Damit im Freiland alle Überholvorgänge sicher ablaufen können, empfehlen und appellieren wir im Zuge unserer Diplomarbeit an alle LKW- und PKW-Lenker, einen Seitenabstand von zwei Metern einzuhalten. Im Ortsgebiet sollte ein Seitenabstand von 1,5 Metern zum Radfahrer genügen, weil dort die Überholgeschwindigkeiten geringer sind und dadurch die Kräfte schwächer ausfallen“, fasst Marco Hofmann die Ergebnisse der Diplomarbeit zusammen. Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten sowie die Landesverkehrsabteilung Niederösterreich wurden bereits auf dies Messvorrichtung aufmerksam und zeigten Interesse für eine mögliche zukünftige Zusammenarbeit.

 

Text&Fotos (c) Christa Hochpöchler, NÖN-Ybbstal, KW20 v. 19.5.2021